Merkmale
Geophyt, Stängel 5–20 (35) cm hoch. 7–14 rosettenartig gehäufte Laubblätter (1,5–7 ± 0,3–0,9 cm), linealisch, grasartig, rinnig, die beiden unteren am breitesten und kürzesten, grün, Rand weißlich gezähnelt. Weiter oben 4–9 kürzere Stängelblätter, oberste tragblattartig, am Rande purpurn. Blütenstand dicht, anfangs kegelförmig bis eiförmig (1,5–3,2 ± 1,5–2,3 cm), später zylindrisch. Tragblätter (8–14 ± 1,2–2,5 mm) spitzlanzettlich, zumindest untere von der Spitze ± über die Mitte mit 0,05–0,1 mm langen Papillen besetzt. Blüten schwarzpurpurn, schokoladenbraun bis rotbraun, intensiv duftend; Lippe (5–8,2 ± 3,2–5,5 mm) weit offen, im unteren Drittel schwach sattelförmig eingeschnürt, Querschnitt halbkreisförmig. Sepalen (5–9 ± 1,5–2,5 mm) lanzettlich, Petalen schmaler (4,5–7 ± 1,2–1,8 mm). Sporn sackartig, stumpf (1–1,7 ± 0,9–1,1 mm).
Vegetations- und Blühzeiten
Mitte Juni–Mitte August. Allogam, auch geitonogam, Fruchtansatz sehr hoch bis vollständig, Samenreife nach 8 Wo. 2n=40.
Variabilität
In den Zentral-/Süd-Alpen treten selten karminrote, ziegelrote, orangene, gelbe bis weiße Spielarten auf. Hochwüchsige Pflanzen der W-Alpen mit über 3 cm langen Blütenständen, aber ohne durchschlagende eigene Merkmalscharakteristik, werden verschiedentlich als var. robusta oder als N. cenisia abgetrennt, sie kommen auch in den Z-Alpen vor.
Hybriden
Bildet intergenerische Hybriden mit Gymnadenia conopsea, G. odoratissima, Dactylorhiza fuchsii und Pseudorchis albida. Zweifelsfrei nachgewiesene intragenerische Hybriden sind nicht bekannt.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Einzige Nigritella-Art im Lande, unverwechselbar mit anderen Orchideen.
Wuchsorte
Alpine Magerrasen, ungedüngte Mähder, extensive Weiden, Urgestein, Kalk, Dolomit. Im Schwarzwald ehemals vermutlich in einer Nardio-Gesellschaft.
Verbreitung
Alpen (häufigste Art; in östlichen Kalkalpen teils fehlend), Jura, N-Apennin, Balkan, (800) 1400–2600 (3002) m.
Einziges sicher nachgewiesenes Vorkommen auf ca. 800 m ü.d.M. auf der Kohlhalde bei Bonndorf (8115/4). Ein Vorschlag zur Ausweisung als Naturdenkmal (Schlatterer 1912: 169) blieb erfolglos, danach verschollen. Eine vage Angabe für den Feldberg konnte nicht verifiziert werden.
Gefährdung
Das Vorkommen bei Bonndorf wurde durch Wegebau stark beeinträchtigt und in der Folge mangels Schutz endgültig zerstört. Eine natürliche Wiederbesiedlung erscheint im Hinblick auf die rezente Klimaerwärmung unwahrscheinlich. § streng geschützt (BNatSchG, LNatSchG).
Ausgestorben (O): BW, Schwarzwald; fehlend (-): übrige Naturräume
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H. (2005): Nigritella nigra subsp. rhellicani.- In: Arbeitskreise Heimische Orchideen Deutschlands (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands: 519-521.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten.- Ulmer Verlag, Stuttgart.
Künkele, S. & H. Baumann (1998): 14. Nigritella Rich. 1817.- In: Sebald, O., Seybold, S. Philippi, G. & A. Wörz: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band. 8: 351-354.- Eugen Ulmer KG, Stuttgart.
Lorenz, R., Hedrén, M., Kellenberger, R.T., Mald, J. & P.M. Schlüter (2020): Die bunten Brunellen vom Puflatsch in Südtirol – ein bedrohtes Naturwunder.- J. Eur. Orch. 52 (2-4): 249-278. Nachdruck in: Jahrb. Ver. Schutz Bergwelt 88: 141-172. 2023.
Schlatterer, A. (1912): Vorläufige Zusammenstellung der bisher gemeldeten Naturdenkmäler Badens.- Mitt. Bad. Landesver. Naturk. 6: 165-194.
Text: Richard Lorenz