Cypripedium calceolus

Biologie der Orchideen

Wie erkennt man Orchideen?

Orchideen gehören zu den faszinierendsten Pflanzen, die es gibt. Man schätzt die Zahl der Orchideenarten weltweit auf über 20.000. In Deutschland kommen nach aktuellem Stand rund 80 verschiedene Orchideenarten vor, davon immerhin rund 60 in Baden-Württemberg.

Ophrys sphegodes, Blattrosette im Winter

Aber wie erkennt man eigentlich eine Orchidee? Zunächst gehört die Familie der Orchideen zur Gruppe der Einkeimblättrigen Pflanzen. Ein wesentliches Merkmal dieser großen Gruppe ist, dass die Laubblätter ungeteilt, ganzrandig und ‒ abgesehen von wenigen Ausnahmen – parallelnervig sind. Dies trifft zum Beispiel auch für die Familie der Liliengewächse zu und ist deshalb allein betrachtet kein Merkmal, das eine Orchidee eindeutig definiert.

Ob eine Orchidee vorliegt, wird vielmehr durch die Blüte bestimmt. Allen Orchideen gemeinsam ist der charakteristische Blütenaufbau. Dies mag zunächst verwundern angesichts der enormen Vielfalt an Blütenformen und -farben innerhalb der Orchideenfamilie. Dennoch, der Aufbau der Orchideenblüte folgt immer demselben Grundschema. Ohne detailliert auf alle Aspekte einzugehen, sind die wesentlichen Merkmale nachfolgend vereinfacht am Beispiel einer Schmetterlingsorchidee dargestellt:

  • Die Blütenhülle wird aus zweimal drei Blütenblättern gebildet:

    • Der äußere Kreis besteht aus drei Blütenblättern, die Sepalen genannt werden.
    • Der innere Kreis besteht ebenfalls aus drei Blütenblättern; die beiden seitlichen werden als Petalen bezeichnet. Das mittlere ist zu einem Organ ausgebildet, das sich in Größe, Form, Färbung und oft auch Struktur von den seitlichen Petalen unterscheidet und Lippe genannt wird.

  • Staubblätter, Griffel und Narbe sind zu einer Griffelsäule verwachsen.

Bei unseren einheimischen Orchideen ist der morphologische Aufbau der Blüte deutlich komplexer und sei an den drei wichtigen Orchideen-Gattungen Epipactis, Orchis und Ophrys dargestellt. Bei genauer Betrachtung ist das Grundschema des Blütenaufbaus zu erkennen:

Epipactis-Blüte Ophrys-Blüte Orchis-Blüte

© N. Griebl & H. Presser (2022): Orchideen Europas. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart. Die Verwendung der Abbildungen erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Autoren. Die Abbildung der Orchis-Blüte wurde modifiziert.

Für mehr Details zu Blütenbau und anderen Aspekten der Biologie der Orchideen wird auf die weiterführende Literatur im Literaturverzeichnis verwiesen.

Der Entwicklungszyklus einer Orchidee in Deutschland*

Die Entwicklung einer Orchideenpflanze im Laufe der Jahre 2022/2023 am Beispiel eines Exemplars von Ophrys sphegodes im NSG Haarberg-Wasserberg, Kreis Göppingen:

Ophrys sphegodes, Blattrosette im Winter

Unsere Heimischen Orchideenarten treiben teilweise bereits im Herbst, teilweise erst im Frühjahr aus einer Knolle aus. Die Spinnenragwurz beispielsweise bildet meist bereits im Herbst eine neue Rosette für die kommende Saison. Die Blätter trotzen Schnee und Frost, scharfe Kahlfröste allerdings können zum Absterben führen.

Ophrys sphegodes, Blattrosette im Spätwinter

Bei wärmeren Temperaturen können die Blätter auch im Winter assimilieren und etwas weiterwachsen. Eine kurze und oft unterbrochene Winterruhe wird nur bei Frost eingelegt.

Ophrys sphegodes, Blattrosette im Frühling

Unser Exemplar hat den Winter gut überstanden. Nur einige braune, durch Pilzbefall verursachte Stellen, trüben den Gesamteindruck. Ab Mitte März zeigt sich dann bereits der Blütenstand in der Mitte der Rosette. Die Blütenknospen sind noch durch Hüllblätter auch vor Spätfrösten geschützt.

Ophrys sphegodes, knospend

Ende April mit steigenden Temperaturen geht es dann schnell, der Blütenstand streckt sich, auch die Rosettenblätter sind noch etwas gewachsen. In diesem Entwicklungszustand führt leichter Nachtfrost meist nicht zu Schäden. Die Pflanze beginnt bereits mit der Anlage einer neuen Tochterknolle, in die im weiteren Verlauf Nährstoffe eingelagert werden.

Ophrys sphegodes, blühend

Mitte bis Ende April öffnen sich dann die ersten Blüten. In diesem Entwicklungszustand führen auch leichte Nachtfröste oft zu Schäden und einem Umknicken und Faulen des Blütenstängels. Unser Exemplar hat es geschafft und steht am 26. Mai längst in Hochblüte. Die Blütezeit erstreckt sich je nach Witterungsverlauf bis in den Juni hinein.

Ophrys sphegodes, verblüht

Unser Exemplar hat 2023 leider keinen Bestäuber gefunden. Alle wichtigen Nährstoffe sind längst in die neu angelegte Knolle eingelagert und der oberirdische Teil samt alter Knolle stirbt ab. Bestäubte Exemplare bilden Samenkapseln, die ab Mitte Juni eine Vielzahl von staubfeinen Samen freisetzen.

Ophrys sphegodes, eingezogen

Regen und Wind führen schließlich dazu, dass der Blütenstängel umknickt. Ende August ist oft der gesamte oberirdische Aufwuchs von Bodenorganismen verarbeitet und nichts mehr zu sehen.

Ophrys sphegodes, aus der Tochterknolle austreibend

Neben der alten Pflanze treibt im Herbst dann aus der im Laufe des Jahres angelegten Tochterknolle eine neue Rosette aus, und der Zyklus beginnt von neuem.

* Der dargestellte Entwicklungszyklus ist nur für knollenbildende Orchideen aus der Unterfamilie Orchidoideae repräsentativ. Nicht knollenbildende Arten wie z.B. der Frauenschuh zeigen einen anderen Entwicklungszyklus.


(c) AHO Baden-Württemberg - letzte Änderung am 06.01.2025