Merkmale
Knollengeophyt mit zur Blütezeit zwei zur Mitte hin handförmig geteilten, seitlich zusammengedrückten Knollen und kurzen, dicklichen Wurzeln. Der Trieb für das Folgejahr entwickelt sich nach der Blütezeit aus der Tochterknolle. Dieser Trieb wächst bis unter die Erdoberfläche; gleichzeitig entwickelt sich am Sprossboden bereits eine neue Knolle, aus der im folgenden Sommer der nächste Trieb heranwächst. Im Frühjahr entwickeln sich aus dem überwinterten Trieb Laubblätter mit dem Blütenstand. Der Stängel kann 35 ‒ 70 (100) cm hoch werden. Auf ein oder zwei Schuppenblätter folgen 3 ‒ 6 (8) ungefleckte Laubblätter, deren untere rosettig angeordnet sind. Sie werden 15 ‒ 25 (30) cm lang und 1,5 ‒ 3,5 (4,7) cm breit und sind in weitem Bogen nach außen gebogen oder stehen schräg nach oben; die Enden sind mehr oder weniger spitz. Am Stängel sitzen weitere 4 - 10 scheidenlose, tragblattartige Blätter. Der aufblühende Blütenstand ist spitz, allseitswendig, 6‒- 20 (28) cm lang mit (30) 40 ‒ 100 (150) kleinen, stark duftenden Blüten besetzt. In der Länge und Blütenzahl ist der Blütenstand noch variabler als bei G. conopsea. Die Blüten stehen auffallend dicht (ca. 4 ‒ 6 Blüten pro cm Länge), so dass die Blüten zur Vollblüte den Blütenstand fast völlig verdecken. Die Blütenfarbe schwankt zwischen rosa und purpurn, selten weiß. Die seitlichen Sepalen stehen horizontal ab und sind am Ende stumpf, 5 ‒ 7 mm lang und 2 – 3,5 mm breit. Das mittlere Sepal und die Petalen sind etwas kürzer und breiter als die seitlichen Sepalen, sie bilden einen Helm, der die Säule bedeckt. Die Lippe ist dreilappig, breiter als lang, ohne Zeichnung, die Seitenlappen vom Lippengrund abwärts nach außen weisend; der Mittellappen ist gelegentlich (auf Gotland) oder auch häufig (Schwäbische Alb) leicht vorgezogen, am Ende gerundet. Der Lippengrund ist häufig weiß. Der schlanke, sich verjüngende Sporn ist 11 ‒ 19 mm lang und somit kaum kürzer als bei G. conopsea; er ist abwärts gebogen und im hinteren Teil sichtbar mit Nektar gefüllt, der Fruchtansatz ist sehr hoch bis auf die obersten Blüten, die regelmäßig verkümmern.
Vegetations- und Blütezeit
Gymnadenia densiflora blüht ab Ende Juni bis Anfang August. Der in der Literatur um zwei bis vier Wochen spätere als bei G. conopsea angegebene Beginn der Blüte bezieht sich auf frühblühende G. conopsea. In Baden-Württemberg gehören viele Vorkommen von G. conopsea zur spätblühenden Sippe, mit der G. densiflora fast gleichzeitig aufblüht. Dies erschwert die Trennung der G. densiflora von spätblühender G. conopsea.
Die Fruchtreife tritt einen Monat nach der Blüte ein.
Variabilität
Die Variabilität von Gymnadenia densiflora ist ähnlich groß wie bei G. conopsea; diese Variabilität betrifft die Maße aller Pflanzenteile, vor allem die Wuchshöhe, die Länge des Blütenstandes und die Zahl der Blüten, auch die Größe und Biegung der Blätter. Dies zeigen bereits die oben mitgeteilten morphologischen Merkmale.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Die Art ist unverwechselbar mit Gymnadenia odoratissima, die in allen Maßen kleiner ist. G. densiflora ist von frühblühenden G. conopsea durch ihre zwei bis vier Wochen spätere Blütezeit abzugrenzen, von spätblühenden G. conopsea durch den deutlich dichteren Blütenstand, die hohe Blütenzahl und kräftigeren Habitus. Hinsichtlich der Wuchshöhe gibt es einen weiten Überlappungsbereich, wenn auch höherwüchsige Exemplare bei G. densiflora überwiegen. Unterschiede gibt es auch hinsichtlich der Blattzahl, einzelner Blütenteile, insbesondere der Lippe, wenn diese auch nicht so auffällig sind wie die Dichte des Blütenstandes. Die morphologischen Unterschiede zwischen beiden Arten können so gering sein, dass eine Unterscheidung von Einzelpflanzen schwer möglich ist. Es empfiehlt sich, möglichst viele Merkmale beider Arten morphologisch zu vergleichen. Computer-gestützte multivariate Analysen ergeben anhand morphologischer Daten regelmäßig eine klare Trennung beider Arten.
Nach molekular-genetischen Studien ist G. densiflora deutlich von früh blühender G. conopsea verschieden und wird darum als eigene Art geführt (Marhold et al.2005: 159 ff.; Stark et al. 2011: 220). Das Verhältnis von G. densiflora zu den unterschiedlichen Sippen von G. conopsea bedarf weiterer genetischer Bearbeitung (Brandrud et al. 2019: 117), verbunden zudem mit ihrer morphologischen Abgrenzung im gesamten Verbreitungsgebiet von Nord- bis Südeuropa, bevor weitere Sippen beschrieben werden können.
Hybriden
Hybriden kommen u.a. mit Gymnadenia conopsea vor. G. densiflora ist nach neueren Untersuchungen diploid (2n=40), während in älteren Untersuchungen auch polyploide Chromosomensätze (2n=80, 100, 120) angegeben wurden (Marhold et al. 2005: 169 ff.). Diese Angaben beruhen auf fehlerhafter Bestimmung als G. densiflora (Marhold et al. a.a.O.). Bei G. conopsea sind dagegen diploide wie auch tetraploide Populationen bekannt, die bislang morphologisch kaum differenzierbar sind und deren regionale Verbreitung ungenügend erforscht ist. Bei ungleicher Chromosomenzahl der Eltern entstehen triploide Hybriden, was gelegentlich vorkommen kann (Stark 2011: 218). Das Erkennen der Hybriden von G. densiflora und G. conopsea ist im Einzelfall schwierig. Hybriden mit der morphologisch klar abgegrenzten, diploiden G. odoratissima sind gut unterscheidbar.
Wuchsorte
Gymnadenia densiflora besiedelt nur Kalkstandorte. Dort steht sie auf Feuchtwiesen, Moorwiesen, an Gebüschrändern und auf subalpinen Almen auf mehr oder weniger nährstoffarmen, humosen, regelmäßig zumindest wechselfeuchten Böden.
Verbreitung
Gymnadenia densiflora kommt von den gemäßigten Zonen Skandinaviens bis Süditalien sowie von Frankreich und Groß-Britannien bis zum Ural und Kroatien (Marhold et al. 2005: 172) vor, möglicherweise bis Nordgriechenland (Tsiftsis & Antonopoulos 2017: 215). Da die Art von einem Teil der Autoren bis in die letzte Zeit nur als Varietät aufgefasst wurde, ist die genaue Verbreitung nur unzureichend erfasst. In den Alpen kommt sie bis in Höhen von 1.800 m ü.d.M. vor. In Baden-Württemberg sind inzwischen einige Vorkommen auch außerhalb der Schwäbischen Alb bekannt, z.B. am Oberrhein.
Gefährdung
Die Art ist in Mitteuropa in den landwirtschaftlich intensiv genutzten Lagen kaum mehr anzutreffen, weil die hochsommerliche Heuernte auch in den Mittelgebirgslagen vor der Samenreife erfolgt. In Baden-Württemberg gibt es sie in wenigen Biotopen, die nicht der sommerlichen Mahd unterliegen wie Riedwiesen, Moore, Magerwiesen in Hanglagen mit feuchten Schichten auf der Schwäbischen Alb, oder andere Grenzertragsflächen. Um eine Verbuschung zu verhindern, ist eine regelmäßige Biotoppflege erforderlich.
Daten unzureichend (D): BW, Ober- u. Hochrhein, Odenwald, Nördliche u. Südliche Gäulandschaften, Schwäbische Alb, Alpenvorland; fehlend (-): Schwarzwald
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die wildwachsenden Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten.- Stuttgart.
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Gymnadenia conopsea var. densiflora. In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands, 453 – 454.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Brandrud, M.K., Paun, O., Lorenz, R. Baar, J. & M. Hedrén (2019): Restriction-site associated DNA sequencing supports a siter group relationship of Nigritella and Gymnadenia (Orchidaceae).- Molecular Phylogenetics and Evolution 136 (21-28); https://doi.org/10.1016/j.ympev.2019.03.018.
Marhold, K., Jongepierová, I., Krahulcová, A.& J. Kuçera (2005): Morphological and karyological differentiation of Gymnadenia densiflora in the Czech Republik and Slovakia; Preslia, Praha, 77: 159-176.
Stark, C., Michalski, S., Babik, W., Winterfeld, G. & W. Durka (2011): Strong genetic differentiation between Gymnadenia conopsea and G. densiflora despite morphological similarity.- Plant. Syst. Evol. 293: 213-226.
Tsiftsis, S. & Z. Antonopoulos (2017): Atlas of the Greek orchids, Vol. I.- Rethymnon.
Text: Dietrich Bergfeld