Bemerkung zur Systematik
Dieses Taxon wird hier als Subspezies zu Epipctis helleborine geführt, wie es von KLEIN (1997) nach morphologischen Merkmalen neu kombiniert wurde. Diese systematische Stellung jüngst auch wurde von SRAMKÓ et al. (2019) anhand molekular-genetischer Untersuchungen bestätigt mit der Bemerkung, dass dieses Taxon eine beginnende Artbildung durchlaufe. Bereits KLEIN (1997) stellte die Identität der ostalpinen Populationen mit den westalpinen Populationen fest, die von RICHTER (1887) unter dem Namen E. distans auf Artebene beschrieben wurden. Derselbe Autor schlug drei Jahre später vor, das Taxon als subsp. orbicularis zu führen.
Merkmale
Rhizomgeophyt, aus dem sich jährlich neue Rhizomglieder bilden. Hieraus bilden sich Sprosse, die unterirdisch überwintern und im Frühjahr Blätter treiben. Der Stängel erreicht eine Höhe von 30 - 60 (85) cm und ist auffallend dick (unter dem Blütenstand 3,3 - 5 mm). Büschelbildung tritt häufig auf. Der Stängel ist hellgrün und trägt 3 - 6 mittelgrüne Blätter. Das unterste Blatt ist tütenförmig oder breit eiförmig (1,5 - 4,5 cm lang und 3 - 4,2 mm breit), das zweite Blatt annähernd kreisrund, 3,5 - 6 cm lang und 3 - 4,5 cm breit. Das dritte Blatt ist eiförmig (4 - 7 cm lang und 2,5 cm breit), während die oberen Blätter etwa gleich lang sind, aber schmaler. Die mittleren Stängelblätter können wellig sein, stehen schräg aufwärts und besitzen einen aufgewölbten Rand. Sie sind so lang wie die Blattabstände oder bis 1,5mal so lang. Das oberste Stängelblatt ist tragblattartig und erreicht fast den Blütenstand.
Der Blütenstand nimmt ein Drittel bis zur Hälfte der gesamten Stängelhöhe ein und ist locker mit 15 - 55 mehr oder weniger einseitswendig angeordneten Blüten besetzt. Die Blütenstiele und Fruchtknoten sind recht lang, so dass der Blütenstand breit erscheint. Die Blüten sind weit geöffnet und stehen häufig waagerecht ab. Die Sepalen sind hellgrün, 9 - 14 mm lang und 5 - 8 mm breit, die Petalen 7 - 10 mm lang und 5 -7 mm breit und grün, rosa oder weißlich überlaufen; die Rückseite der Sepalen und Petalen ist häufig rosa überfärbt. Die zweiteilige Lippe ist am Übergang stark eingeschnürt, die Grundfarbe grünlich-weiß. Die Hinterlippe ist schüsselförmig, am Grund dunkelbraun glänzend, Nektar ausscheidend. Die Vorderlippe ist 4 - 4,5 mm lang und 3,8 - 4,6 mm breit, herzförmig mit stumpfer, meist leicht rückwärts gebogener Spitze. Die Vorderlippe ist grünlich weiß bis blassrosa gefärbt, zuweilen auch leicht rötlich.
Die Wülste sind schwach entwickelt und weiß oder rosa überlaufen. Eine Rostelldrüse ist vorhanden und anfangs völlig funktionsfähig. Die Bestäubung erfolgt durch Wespen. Die Pollinien können aber auf die Narbe fallen, wenn die Anthere aufreißt oder die Pollinien austrocknen. Dann kann Autogamie eintreten.
Vegetations- und Blütezeit
Der Austrieb erfolgt im Mai. Die Blütezeit beginnt Ende Juni oder Anfang Juli und liegt etwa zwei Wochen vor E. helleborine subsp. helleborine am gleichen Standort. Die Fruchtreife tritt im September ein.
Variabilität
Diese Unterart besiedelt trockenwarme Standorte, unter deren Bedingungen die Gesamtgröße der Pflanzen und der Blätter deutlich geringer ausfallen können als bei günstigeren Standorten. Schwanken kann auch die Färbung der Blüten.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Verwechslungen können mit der Sonnenform von E. helleborine vorkommen. Diese hat aber hochgestreckte und spitze, meistens gekielte Blätter. Bei subsp. orbicularis sind die Blätter kürzer.
Hybriden
Bekannt sind vielfältige Hybriden mit E. atrorubens, die gleichzeitig blüht. Sie zeigen eine geänderte Blattform und Färbung der Blüten, auch eine intermediäre Behaarung der Stängel. Bei benachbarten Vorkommen mit der Nominatform von E. helleborine treten Zwischenformen auf, die schwierig zu unterscheiden sind.
Wuchsorte
Diese thermophile Unterart bevorzugt lichte Kiefernwälder auf Dolomitböden, ist hieran aber nicht notwendig gebunden. Sie kommt auch an Waldrändern und Gebüschen vor.
Verbreitung
In Baden-Württemberg wurde bislang nur eine Kleinstpopulation auf der Baar am Rande des Schwarzwaldes in einem Fichten- und Kiefernmischwald zu E. helleborine subsp. orbicularis gestellt, die inzwischen verschollen ist. Weitere Vorkommen im Abschluss an Populationen in der Schweiz oder in Franken und Südbayern wurden in Baden-Württemberg bislang nicht gefunden.
Gefährdung
Das Einzelvorkommen in Baden-Württemberg ist gegenwärtig verschollen.
Nicht erfasst
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Epipactis helleborine subsp. orbicularis - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands, 383 – 386.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten.- Stuttgart.
Bergfeld, D., Berlinghof, N. & H. Heitz (2008): Erstfund von Epipactis distans Arv.-Touv. in Baden-Württemberg. - J. Eur. Orch. 40(4): 681 ff. mit weiteren Nachweisen.
Klein, E. (1997): Epipactis helleborine (L.) Crantz subsp. orbicularis (Richter) Klein comb. Nova, eine xerophile Unterart (Orchidaceae-Neottiae).- Phyton (Horn, Austria) Vol. 37. 71-83.
Sramkó, G., Paun, Ovidiu, Brandrud, M.K., Laczkó, L., Molnár, A. & R. Bateman (2019): Iterative allogamy-autogamy Transitions drive actual and incipient specification during the ongoing evolutionary radiation within the orchid genus Epipactis (Orchidaceae.- Annals of Botany 124: 481 - 497.
Text: Dietrich Bergfeld