Merkmale
Knollengeophyt mit zur Blütezeit zwei unterirdischen, länglichen Knollen. Im Frühjahr entwickeln sich drei bis fünf grundständige Blätter, die rosettenartig gehäuft sind, ungefleckt, eiförmig bis lanzettlich und leicht glänzend. Nach oben folgen zwei bis vier Stängelblätter. Der hellgrüne Blütenstängel erreicht eine Höhe von 20 - 50 cm; im oberen Bereich ist er meist rötlich violett überlaufen. Der Blütenstand ist zylindrisch und 3,5 - 11 cm lang. Er ist mäßig dicht mit 8 - 25 mittelgroßen und geruchlosen Blüten besetzt. Die rotvioletten Tragblätter liegen dem Stängel an und sind lang zugespitzt. Sepalen und Petalen bilden einen lockeren Helm, der auf der Außenseite bräunlichgrün gefärbt ist, auf der Innenseite olivgrün mit rotbraunen Strichen oder Punkten. Die Lippe ist dreilappig mit gespaltenem Mittellappen; die Seitenlappen sind nach hinten gefaltet und hell- bis purpurrot gefärbt. Die Lippe ist 9 - 12 mm lang und 9 - 14 mm breit, am Grunde heller und mit punkt- oder strichförmigen Papillen besetzt. Der Sporn bildet eine kegelförmige Walze; er ist 7 - 9 mm lang und abwärts gebogen. Er ist etwa so lang wie der gedrehte Fruchtknoten.
Vegetations- und Blütezeit
Aus der Tochterknolle entwickelt sich im Spätherbst ein Spross, der im zeitigen Frühjahr den oberirdischen Trieb bildet. Die Blütezeit liegt zwischen Mitte Mai und Mitte Juni. Fruchtreife tritt ab Mitte August ein.
Variabilität
Die Variabilität von O. spitzelii ist aufgrund des weiten Verbreitungsgebietes mit vielen inselartigen Vorkommen ziemlich groß.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Die Art ist in ihrem Verbreitungsgebiet nicht verwechselbar. Die nahverwandten Arten bzw. Unterarten O. patens, O. prisca und O. spitzelii subsp. cazorlensis kommen in Mitteleuropa nicht vor.
Hybriden
Hybriden sind bekannt mit O. mascula, O. pallens und O. provincialis.
Wuchsorte
O. spitzelii besiedelt kurzrasige und steinige Berghänge, Almwiesen und Zwergstrauchheiden sowie Laubmischwälder auf Kalkböden.
Verbreitung
Das Verbreitungsgebiet zieht sich von Spanien bis in den Kaukasus und vom Mittelmeerraum bis Gotland. In Deutschland ist die Art ausgestorben. Das einzige bekannte Vorkommen lag am Schloßberg bei Nagold, wo O. spitzelii von ca. 1845 bis ca. 1895 beobachtet wurde. Dort wuchs sie in einer Höhenlage von 480 bis 490 m ü.d.Meer.
In den Alpen werden Lagen oberhalb von 600 m bis 2000 m besiedelt. Vom Vorkommen bei Nagold sind 22 Herbarexemplare bekannt; ob es durch die intensive Sammeltätigkeit oder Wegebau erloschen ist, ist nicht mehr zu klären.
Gefährdung
In Baden-Württemberg ist O. spitzelii ausgestorben. In benachbarten Verbreitungsgebieten können Kleinpopulationen durch Überweidung oder Änderung der Bewirtschaftungsform bedroht sein.
Ausgestorben (0): BW, Südliche Gäulandschaft; fehlend (-): übrige Naturräume
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Orchis spitzelii - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands: 626–629. - Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten. - Stuttgart.
Text: Dietrich Bergfeld