Bemerkung zur Systematik
Die morphologische Verwandtschaft von Listera cordata mit Neottia nidus-avis war den Forschern schon Mitte des 18.Jahrhunderts bekannt. Aufgrund neuerer genetischer Arbeiten wurde die Art ebenso wie Listera ovata von Bateman 2009 in der Gattung Neottia vereinigt.
Merkmale
Rhizomgeophyt. Da Wurzelschösslinge wachsen, wächst die Art gerne truppweise. Die Sprossanlagen für Wurzelschösslinge des Folgejahres sind bereits zur Blütezeit entwickelt.
Im Frühjahr entwickeln sich zwei oberirdische, grüne Laubblätter, aus kräftigeren Pflanzen Blütentriebe. Der Stängel ist zart, 7 ‒ 14 cm hoch, tief in ein Moospolster eingesenkt. Etwas unterhalb der Stängelmitte folgt ein gegenständiges Blattpaar. Dieses ist behaart, stark genervt, glänzend bis mattgrün, herzförmig, 1,4 ‒ 2,6 cm lang und 1,4 ‒ 2,2 cm breit. Der Blütenstand ist locker, allseitswendig, flaumig behaart und 5 ‒ 10-blütig. Die Tragblätter sind winzig. Der Fruchtknoten ist langgestielt, elliptisch, 4 ‒ 5 mm lang und 1 ‒ 2 mm dick, davon ca. 2 mm Stiellänge.
Die Blüten sind durch Drehung des Stiels resupiniert, spornlos, im frischen Zustand weit geöffnet, grün bis gelbgrün gefärbt und oft rotbraun überlaufen. Die Sepalen sind elliptisch, am freien Ende abgerundet, ca. 2 mm lang und ca. 1 mm breit. Die Petalen sind lanzettlich, schmaler als die Sepalen. Die Lippe ist 4 ‒ 6 mm lang und 2 ‒ 3 mm breit und tief gespalten. Die Pollinien sind hellgelb, keulenförmig, ohne Viscidien. Die kugeligen, lang-gestielten, aufrechten Früchte nehmen von unten nach oben an Größe ab und sind 4 ‒ 6 mm lang und 2 ‒ 3 mm dick, davon Stiellänge 2 mm, am freien Ende mit Blütenresten. Die Samen sind klein, ca. 0,5 mm lang und halb so breit.
Vegetations- und Blütezeit
Die Blütezeit ist je nach Höhenlage Anfang Mai bis Ende Juli. Der Fruchtansatz beträgt 24%. Die Fruchtreife setzt ähnlich wie bei Neottia ovata noch während der Blütezeit ein, so dass man am gleichen Exemplar im unteren Bereich ausgereifte Früchte und im obersten noch knospende Blüten finden kann. Dies spricht dafür, dass auch Selbstbestäubung vorkommen kann. Aber auch verschiedenste Bestäuber wurden auf der Art beobachtet. Sprengel (1993) beschrieb erstmals für eine europäische Art den raffinierten Bestäubungsmechanismus an Neottia ovata. Die Pflanzen ziehen früh zurück, und Ende September sind sie völlig verschwunden. Das gesellige Vorkommen beruht auf vegetativer Vermehrung durch Umbildung von Wurzeln in Sprosse.
Variabilität
Die Variabilität dieser Art ist gering. Selten findet man drei oder auch vier Stängelblätter. Auch die Blütenfärbung kann unterschiedlich sein. Diese kann gelblichgrün oder olivgrün sein, meist ist sie aber bräunlichrot überdeckt. Auch sind Monstrositäten mit geteiltem Blütenstand oder lippenlosen Blüten bekannt, wie auch die Form der Lippe variabel sein kann.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Wichtigste Unterschiede zu anderen Arten: Beim Großen Zweiblatt sind die deutlich größeren Blätter breit-eiförmig, beim Kleinen Zweiblatt sind die herzförmigen Blätter viel kleiner und sitzen höher am Stängel. Sonst ist diese Art unverwechselbar.
Hybriden
Es sind keine Hybriden bekannt, weder mit der anderen Neottia-Art noch mit anderen Arten von heimischen Orchideen.
Wuchsorte
Man findet Neottia cordata auf nassen, nährstoff- und basenarmen, sauren Torf- und Moorböden. Das sind ältere, moosige Fichtenwälder, Bergkiefern-Gestrüppe, nährstoffarme Moore und Moorwälder sowie Laub- und Nadelwälder auf nährstoffarmen Böden.
Verbreitung
Die Verbreitung umfasst die Hochlagen der Mittelgebirge wie in Baden-Württemberg den Schwarzwald, darüber hinaus gibt es noch einzelne Vorkommen in Oberschwaben und anderen Gebieten, wie die Verbreitungskarte zeigt.
Gefährdung
Neottia cordata Art gilt in Baden-Württemberg als gefährdet (3). Das Herzblättrige Zweiblatt ist durch erhöhte Stickstoffeinträge aus der Luft und den Klimawandel mit Erwärmung, zurückgehenden Regenmengen und Borkenkäferplage bedroht. Damit besteht die Gefahr, dass die Art ihren angestammten Lebensraum in diesen Wäldern verliert.
Gefährdet (3): BW, Südliche Gäulandschaften, Schwäbische Alb, Alpenvorland; Vorwarnstufe (V): Schwarzwald; fehlend (-): Ober- u. Hochrhein, Odenwald, Nördliche Gäulandschaften
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Listera cordata - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands: 493 – 497.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Bergfeld, D. (2023): Das Herzblättrige Zweiblatt Neottia cordata (L.) Rich. - Orchidee des Jahres 2023. - J. Eur. Orch. 55 (1) 3-40.
Künkele, S. & H. Baumann (1998): Listera cordata- In: Sebald & al. (Hrsg.): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band 8: 326-328. -Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
Text: Siegfried Erhardt