Merkmale
Rhizomgeophyt mit zur Blütezeit zwei unterirdischen Knollen. Der Spross für das Folgejahr entwickelt sich nach der Blütezeit aus der Tochterknolle; er treibt schon im Herbst eine Blattrosette, die auch im Winter bei günstiger Witterung assimilieren kann. Gleichzeitig wächst bereits eine neue Knolle, die nach der Blütezeit der vorjährigen Knolle den nächsten Spross bildet. Kräftige Pflanzen entwickeln aus der Laubblattrosette im Spätwinter starke Blütentriebe, die mit kantigem Stängel 25 ‒ 80 cm hoch werden. Insgesamt entwickeln sich 4 - 10 grüne Blätter, die unteren als aufrechtstehende Rosettenblätter. Diese sind breit-elliptisch bis länglich-eiförmig, reich geädert und fettig glänzend. Die Grundblätter werden 8 – 35 cm lang und 4 – 11 cm breit. Nach oben folgen kleiner werdende stängelumfassende Laubblätter, die tragblattartig wirken. Der Blütenstand wird 6 – 23 (40) cm lang und trägt (12) 23 ‒ 60 (70) Blüten, die nach Hyazinthen riechen. Die rötlich-violetten Perigonblätter neigen sich helmförmig zusammen; an der Außenseite sind sie grünlich oder violett. Seitliche Sepalen sind 10 – 16 lang und 5 - 10 mm breit, eiförmig und konkav; das mittlere Sepal ist etwas kleiner. Petalen 7 – 12 mm lang und 1,5 – 3 mm breit, schmal lanzettlich. Die Lippe ist dreilappig, im Knospenzustand eingerollt, in blühendem Zustand hängend, nach außen gewölbt, 13 ‒22 mm lang, grünlich bis rötlich, an der Basis auf weißlichem Grund meistens mit rötlichen Saftmalen besetzt, an den Rändern gewellt. Der Mittellappen ist langestreckt, die Seitenlappen deutlich kürzer; der Sporn ist stumpf, abwärtsgerichtet, 4 – 7 mm lang.
Vegetations- und Blütezeit
Die Blattrosette bildet sich bereits im Herbst; die Blütezeit beginnt in der Schweiz und Südbaden Ende März.
Variabilität
Variabel ist die vor allem die Lippenform und deren Farbe. Bei (Teil-)Ausfall des roten Farbstoffes erscheinen die Blüten olivgrün mit weißem Mittelfeld in der Lippe, teilweise noch mit roten Flecken.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Die Art ist in blühendem Zustand unverwechselbar und durch die frühe Blütezeit von H. hircinum getrennt. Deren Blätter sind hellgrün, etwas fleischig. Die fettig glänzenden Basisblätter von H. robertianum stehen aufrecht und bilden eine trichterförmige Rosette.
Hybriden
Es sind auch im Mittelmeerraum keine Hybriden bekannt.
Wuchsorte
Die Art kommt im angestammten Verbreitungsgebiet im Mittelmeerraum an Gebüschsäumen und auf Magerrasen auf kalkhaltigen Böden vor.
Verbreitung
Himantoglossum robertianum ist als wärmeliebende Art im Mittelmeerraum weit verbreitet. In den letzten Jahrzehnten dehnt sich das Verbreitungsgebiet an der Alpensüdseite nach Norden aus. In Südfrankreich gibt es Vorkommen im Rhonetal über Montelimar bis in die Umgebung nördlich von Lyon. In der Schweiz wurden Vorkommen in den Kantonen Genf und Waadt bis an den Fuß des Jura bestätigt.
In Baden-Württemberg stammt der Erstfund aus dem Jahr 2007 vom Isteiner Klotz. In der näheren Umgebung wurde in einem umzäunten Schutzgebiet ein weiteres Exemplar gefunden (unveröffentlicht), das nach wenigen Jahren erloschen ist. Im Jahr 2020 wurden zwei Exemplare am Nordrand des Breisgaus entdeckt, die in den folgenden Jahren Blütentriebe bildeten und auch einzelne Fruchtknoten. In den Jahren 2021 und 2023 erlitten die Blütentriebe im Spätwinter Frostschäden. Das Überleben dieser Einzelexemplare ist zeitlich begrenzt. Ob Folgegenerationen vor Ort aufwachsen oder in der Umgebung gefunden werden, ist nicht absehbar. Auch andernorts wären Zuwanderungen aus der Schweiz möglich; Funde aus dem angrenzenden Elsass wurden bislang nicht bestätigt. Mit den wenigen Einzelfunden ist H. robertianum in Baden-Württemberg noch nicht als einheimische Art zu betrachten.
Inzwischen wurde ein Fund auf einer Bergwerkshalde im Ruhrgebiet, Kreis Unna, veröffentlicht. Vereinzelt werden Funde auch aus Nordfrankreich gemeldet sowie aus den Niederlanden. Dort existiert eine Population in einem Dünengebiet bei Noordwijk.
Gefährdung
Die Art ist nur beschränkt winterhart, was ihre Nordausdehnung bislang begrenzt hat. Auch im Mittelmeerraum besiedelt sie nur Landschaften mit mäßig starkem Frost. Besonders gefährdet ist der austreibende Blütenstängel bei Kahlfrösten zum Ende des Winters. Bislang wurden in BW nur Einzelexemplare gefunden; ob sich diese fortpflanzen werden, ist nicht absehbar.
Nicht erfasst, (nicht etabliert)
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Achstetter, M. & D. Bergfeld (2020): Funde von Himantoglossum robertianum in Südbaden. – J. Eur. Orch. 52 (2-4): 414 – 426.
Delforge, P. (2016): Orchidées d´Europe, d´Afrique du Nord et du Proche-Orient, 4. Edition, revue et augmentée.- Paris.
Hessel, W. (2022): Erstfund von Roberts Mastorchis (Himantoglossum robertianum [Loisel.] P. Delforge) in Nordrhein-Westfalen. - Veröffentl. Bochumer Bot. Ver. 14(3): 26-30.
Kreutz, C.A.J. & J.C. Zuyderduyn(2021): Hyacintorchis (Himantoglossum robertianum), een nieuwe orcideeensoort voor Nederland. - Gortenia -Dutsch Bot. Arch. 43, 2021: 070-088, ISSN 2542-8578.
Vögtlin, J. (2008): Himantoglossum robertianum (Loisel.) Delforge am Isteiner Klotz.- Ber. Bot. Arbeitsgem. Südwestdeutschland, Band 5: 128-130.
Wartmann B.(2020): Orchideen als „Neophyten“ in der Schweiz?- Orchis 1/2020: 9-13, (https://www.ageo.ch/berichte/ORCHIS_1_2020_Orchideen_als_Neophyten.pdf).
Text: Dietrich Bergfeld