Orchidee des Jahres 2005
Orchis ustulata (L.) – Brandknabenkraut
Mit der Wahl zur Orchidee des Jahres 2005 machen die Arbeitskreise Heimische Orchideen in Deutschland (AHO) auf eine Pflanze aufmerksam, die kaum bemerkt aus unserer Kulturlandschaft verschwindet. Das Brandknabenkraut tritt in Deutschland in zwei Varietäten auf – eine im Mai bis Juni blühende Normalform (Orchis ustulata var. ustulata) – und eine ca. zwei Monate später blühende Sommerform (Orchis ustulata var. aestivalis), die vor allem durch ihren kräftigen, gestreckten Habitus, die aufwärts gerichteten Laubblätter und den guten Fruchtansatz auffällt.
Die Volksnamen dieser Wiesenorchidee leiten sich entweder von der rußschwarzen Farbe vor dem Aufblühen („Brändle“), von der schwarzweißrötlichen Färbung des Blütenstandes („Küngeli“ = „Kaninchen“) oder der beim Aufblühen nach oben verglühenden Röte der Blütenähre („Pulverbrenner“) ab.
Die Blüten sind sehr zierlich, die kleinsten der Gattung Orchis. Bei der Frühlingsform lassen sich häufig bereits im November Blattrosetten feststellen, die spätblühende Sippe beginnt erst ab März mit der Rosettenbildung. Bastarde bildet das Brandknabenkraut in Deutschland lediglich mit dem Dreizähnigen Knabenkraut (Orchis tridentata). Im Gegensatz zu manch anderen heimischen, (sub)mediterranen Orchideenarten, die von dem wärmeren Klima der letzten Jahre profitieren und teilweise in Ausbreitung begriffen sind, vermögen sich die Bestände des Brandknabenkrauts nicht zu regenerieren. Die Trockenheit der letzten Jahre war der Pflanze nicht zuträglich. Die Restvorkommen der Brandorchis werden in den jeweiligen Roten-Listen der Länder mit gefährdet (Bayern, Nordrhein-Westfalen), stark gefährdet (Baden-Württemberg, Hessen, Saarland) oder vom Aussterben bedroht (Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) angegeben. In Brandenburg und Niedersachen ist Orchis ustulata ausgestorben bzw. verschollen. Mit dem Aussterben des Brandknabenkrauts geht der Verlust der Lebensräume einher: gemähte und beweidete Halbtrockenrasen, Berg- und Tal-Mähwiesen sowie Streuwiesen verlieren ungebremst an Quantität und Qualität.
Für das Brandknabenkraut können als konkrete Rückgangsursachen ausgemacht werden: Flächenverbrauch durch Bebauung, Intensivierung der Wiesenbewirtschaftung (auch in Kleingärten) durch zu frühes und zu häufiges Mähen bzw. Düngung, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie die Nutzungsaufgabe (fehlende Schafbeweidung bzw. Mahd) und damit das Zuwachsen der Wiesenflächen.
Das Natura 2000-Schutzgebietssystem (FFH-Richtlinie) ermöglicht im Rahmen des Vertragsnaturschutzes die Pflege der Wiesenlandschaften durch die örtliche Landwirtschaft nach der bewährten, historischen Extensivmethode, sicherzustellen. Für den Schutz des Frühlings-Brandknabenkrauts, der Normalform, ist eine Mahd oder Beweidung in tiefen Lagen ab dem 15. Juni, in mittleren Lagen ab dem 25. Juni und in Berglagen (oberhalb 850 m üNN) ab dem 1. Juli denkbar. Die Vorkommen des Sommer-Brandknabenkrauts können ab dem 1. August, in höher gelegenen Regionen ab 15. August, bewirtschaftet werden. Die Europäische Kommission unterstützt die Wiesenpflege in FFH-Gebieten durch das Förderprogramm "LIFE-Natur". Auch können solche Pflegemaßnahmen aus dem EU-Fond "EAGFL" oder aus länderspezifischen Programmen gefördert werden.
Fotos: Hans Rauschenberger, Ulm / Werner Hiller, Göppingen
Literatur: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band 8, 1998. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. ISBN 3-8001-3359-8.