Orchidee des Jahres 2003
Ophrys insectifera L. – Fliegenragwurz
Diese meist im Mai bis Juni blühende heimische Orchidee wurde von den Arbeitskreisen Heimischer Orchideen zur Orchidee des Jahres 2003 erklärt.
Die Fliegen-Ragwurz wächst in Mitteleuropa als licht- und wärmeliebende Orchidee gerne auf kalkreichen Böden in Halbtrockenrasen, Magerwiesen und lichten Wäldern. Die im Frühjahr erscheinenden Blütensprosse sind zur Blütezeit circa 10-50 cm hoch. Die Blätter sind länglich-lanzettlich, bläulichgrün, am Grunde rosettig gehäuft, das oberste umfasst den Stängel scheidig.
Der Blütenstand ist locker, etwa 2-20 blütig. Die Sepalen (äußere Blütenblätter) sind grün. Die braunen, feinst behaarten Petalen, die inneren Blütenblätter sind bis 5 mm lang und nur 0,3-0,5 mm breit, erscheinen also sehr schmal. Die Lippe ist dreilappig, ungehöckert und braun bis rotbraun, samtartig behaart und ohne Anhängsel. Die Lippe hat ein meist bläulich-metallisch glänzendes Mal. Der Fruchtansatz ist sehr niedrig, die Blüte wird ausschließlich von Grabwespen bestäubt. Die Blüten bilden keinen Nektar aus.
Die Fliegen-Ragwurz hat eine geringe Variabilität. Selten kommen gelblippige Blüten vor. Bastarde mit den im Gebiet ebenfalls vorkommenden anderen Ragwurz-Arten gehören zu den größten Raritäten unserer Flora, obgleich das nur Spielarten der Natur sind. Die Art ist durch das Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt!
Die Volksnamen Fliege, Muck, Mucka, Fliegen-Ständel oder Insektenblümeli beziehen sich auf die Blütenform der Fliegen-Ragwurz. Die faszinierenden Blüten sind insektenähnlich geformt. Ein ungewöhnliches Zusammenspiel zwischen Blüte und Insekt, hier der Grabwespe, führt zur Bestäubung der Blüte. Dabei täuscht die Blüte der Fliegen-Ragwurz in Duft, Gestalt und Oberflächenstruktur ein Grabwespenweibchen vor. Die Insektenmännchen reagieren auf diese Reize. Dabei fliegen sie die Blüte an, landen auf der Lippe und unternehmen einen Kopulationsversuch. Dieser kann einige Sekunden bis zu wenigen Minuten dauern. Dabei kommt die Grabwespe mit den Klebscheiben in Berührung und belädt sich am Kopf mit Pollinien der Fliegen-Ragwurz. Beim nächsten Blütenbesuch können die Pollinien oder auch nur Fragmente davon auf der klebrigen Narbe haften. Damit ist die Befruchtung sichergestellt, und es kann eine Fruchtkapsel heranreifen.
Die Fliegen-Ragwurz kann nur in solchen Biotopen überleben, wo ihr Bestäuber, die Grabwespe, auch vorkommt. Deshalb ist ein sinnvoller Biotopschutz notwendig, damit beide, die Ragwurz und ihr Bestäuber überleben können.
Fotos: Manfred Kalteisen, Ulm / Werner Hiller, Göppingen / Steffen Hammel, Erligheim
Literatur: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band 8, Seite 406-408. 1998. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. ISBN 3-8001-3359-8.