Orchidee des Jahres 1997
Orchis coriophora L. – Wanzen-Knabenkraut
Das Wanzenknabenkraut ist von den Arbeitskreisen Heimische Orchideen (AHO) in Deutschland zur Orchidee des Jahres 1997 gewählt worden, um auf eine Pflanze aufmerksam zu machen, die in Deutschland zu den am meisten gefährdeten Orchideenarten gehört und außer in Baden-Württemberg und Bayern in allen anderen Bundesländern ausgestorben ist oder als verschollen gilt. Das Wanzenknabenkraut wurde bereits im Jahr 1581 von Herrn L´ Obel nach einem Fund bei Leuwen in Belgien erstmals urkundlich erwähnt und mit einem Holzschnitt veröffentlicht. Der deutsche Name bezieht sich auf den wanzenähnlichen Duft der Blüten.
Merkmale
Das Wanzenknabenkraut wird zwischen 20 und 40, selten auch 50 cm hoch und weist am Grunde 1-2 bräunliche Schuppenblätter auf, darüber 2-4 grüne rinnige Rosettenblätter, die breit lanzettlich zugespitzt sind und 10-19 cm lang werden und 2-5,5cm breit. Der Stängel trägt 2-3 weitere Laubblätter, die dem Stängel anliegen, den Blütenstand aber nicht erreichen. Der zylindrische Blütenstand trägt 18-40 kleine Blüten, die nach Wanzen riechen und meistens rotbraun oder rötlichgrün gefärbt sind. Die Tragblätter sind grünlich und rötlich überlaufen, etwa so lang wie der Fruchtknoten oder wenig länger. Die Blütenlippe ist dreigelappt und abwärts gebogen, während die übrigen 5 Blütenblätter einen geschlossenen Helm bilden. Der Nektar führende Sporn ist stumpf und abwärts gebogen.
Blütezeit
Die Blütezeit beginnt Ende Mai und endet im Juni, selten Mitte Juli.
Variabilität
Diese Art ist wenig veränderlich. Nur die Blütenfarbe kann unterschiedlich sein. Das Spektrum geht von braun über braunrot und rot bis rosa, selten auch grünlich bis fast weiß.
Verbreitung
Das Wanzenknabenkraut hat Vorkommen in fast ganz Europa außer Großbritannien, den an die Nordsee angrenzenden Regionen des Kontinents und Skandinavien. Früher war die Art auch in Deutschland weit verbreitet.
Lebensräume
Das Wanzenknabenkraut gedeiht auf wechselfeuchten, basenreichen bis mäßig sauren humosen Lehm- und Tonböden.
Gefährdung und Schutz
Der Rückgang dieser Art setzte bereits vor Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Bis 1950 waren die meisten Fundorte erloschen. Heute ist die Art in Baden-Württemberg nur noch an einem Fundort vertreten und an einigen Stellen in Bayern. Mit einem Rückgang von über 96% der Fundorte gehört sie zu den gefährdetsten Orchideenarten Deutschlands. Ursachen für den katastrophalen Rückgang sind die Begradigung von Flußläufen und die Eindeichung der Flußauen, die Überflutungen verhindern und eine intensive landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen, aber auch die Eutrophierung von Böden durch Stickstoffeintrag aus der Luft, der zu einer geschlossenen Vegetationsdecke führt, was diese konkurrenzschwache Art nicht verträgt, ebenso wie die Verbuschung der Landschaft, wo keine Nutzung mehr stattfindet. Die letzten Vorkommen in unserem Land gilt es zu bewahren und auch nicht durch „Orchideentourismus“ zu gefährden.
Text: Dietrich Bergfeld, Karlsruhe
Fotos: Hans Rauschenberger, Ulm / Dietrich Bergfeld, Karlsruhe