Orchideen in Baden-Württemberg
Hammarbya paludosa (L.) Kuntze
Sumpf-Weichorchis, Weichstendel, Weichwurz
Synonyme: Ophrys paludosa, Malaxis paludosa
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Merkmale
Rhizomgeophyt mit einem senkrechten Rhizom, an dessen oberem Ende sich jährlich eine neue Scheinknolle oberhalb der vorjährigen Knolle bildet, die die umgebende Torfmoosschicht leicht überragt. So wächst das Rhizom mit der Sphagnum-Moosschicht mit. Die vorjährige Scheinknolle weist zwei scheidenartige Blätter von ca. 8 mm Länge auf, die neue Knolle wird von zwei ungleich großen Scheidenblättern umhüllt mit einer Länge von 2-3,2 cm und Breite von 0,6 - 1 cm sowie Länge von 2 cm und Breite 0,5 cm. Der Blütenstängel erreicht eine Höhe von 7 bis 17 cm und trägt 8 bis 40 allseitswendig angeordnete winzige Blüten. Die Blüten sind völlig geöffnet und liegen mit ihren Stielchen dicht dem Stängel an, stehen aufrecht und sind aufgrund ihrer hellgrünen Farbe unauffällig. Die grünen Tragblätter sind lanzettlich und 2,5 - 4,2 mm lang 0,9 - 1,1 mm breit. Die Lippe weist nach einer Drehung des Fruchtknotens um 360° nach oben; sie ist löffelförmig konkav, 2 - 3 mm lang und 1,6 - 2 mm breit, spornlos, bietet aber Nektar an. Die seitlichen Sepalen sind aufwärts gerichtet, 2,8 -3,2 mm lang und 1,2-1,3 mm breit; das mittlere Sepal zeigt senkrecht nach unten, ist breit lanzettlich mit einer Länge zwischen 3,1 - 4,2 mm und einer Breite von 1,4 - 1,5 mm. Aufgrund dieser Größe täuscht es eine Lippe vor. Die lanzettlichen, waagerecht stehenden Petalen sind stark rückwärts eingerollt. Der Fruchtknoten ist einschließlich Stiel 3,5 - 4,2 mm lang und 1 - 1,4 mm dick. Die grüngelben Pollinien liegen in einem gemeinsamen Beutelchen. Die Blüten werden fremdbestäubt. Als Bestäuber sind kleine Bienen, Schlupfwespen, Pilz-, Stech- und Trauermücken bekannt. Allerdings ist der Fruchtansatz gering und schwankt zwischen 7% und 36%. Neben der geschlechtlichen tritt auch vegetative Vermehrung ein: an den Blattenden auch nicht blühender Pflanzen bilden sich regelmäßig Brutknospen, die später abfallen. Dies führt zur Büschelbildung.
Vegetations- und Blühzeiten
Es liegen keine Informationen vor, ab wann das Rhizom austreibt. Die Blütezeit liegt im Juli und August. Die Samenreife tritt im September ein.
Variabilität
Diese Art ist wenig variabel.
Hybriden
Die Art ist der einzige Vertreter der Gattung; Hybriden sind nicht bekannt.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Malaxis monophyllos weist ein größeres Laubblatt auf und Liparis loeselii zwei größere Laubblätter. Herminium monorchis trägt glöckchenförmige Blüten.
Wuchsorte
Diese Art besiedelt saure Schwingrasen und Moorschlenken, nährstoffarme Moore sowie Dünentäler entlang der Nordsee, aber regelmäßig auf Sphagnum-Moosen. Damit ist sie von den darunter liegenden Böden weitgehend abgehoben und verträgt als Untergrund auch Kalkböden. Typische Standorte sind dauerhaft nass, zeitweise auch überschwemmt und durch nährstoffarme, schwach basische bis saure Sickerwässer charakterisiert.
Verbreitung
Alle Vorkommen befinden sich im mäßig warmen Flach- und Hügelland bis zur Höhe von 1160 m. Die südliche Verbreitungsgrenze in Europa liegt in SW-Frankreich, Norditalien und Siebenbürgen. Die Art hat auch Vorkommen in Asien und Amerika.
Gefährdung
Die Art ist sehr selten und durch die speziellen Anforderungen an nährstoff- und basenarme Habitate extrem gefährdet. Darum sind in Baden-Württemberg nur noch wenige Reliktstandorte vorhanden; in Baden sind aktuell keine Vorkommen bekannt. Außer in Bayern ist die Art in den übrigen Bundesländern vom Aussterben bedroht oder nicht mehr vertreten. Aktuelle Gefährdungen sind Düngereintrag aus benachbarter Landwirtschaft und Biotopveränderungen. Alle Fundorte sind besonders trittgefährdet und benötigen vollständigen Schutz gegen Besucher.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H. (2005): Hammarbya paludosa (L.) Kuntze.- In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 465 – 468.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten:- Stuttgart.
Text: Dietrich Bergfeld
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