Orchideen in Baden-Württemberg
Cypripedium calceolus L.
Frauenschuh
Synonyme: Calceolus marianus, Cypripedium boreale, Cypripedium ferrugineum, Cypripedium cruciatum, Cypripedium alternifolium, Cypripedium marianus
Beschreibung ein- / ausblenden
Merkmale
Rhizomgeophyt, oft mehrgliedrig (Ramets) mit mehr oder weniger horizontal kriechendem Wurzelstock. Triebe für die nächstfolgende Vegetationsperiode werden bereits während der laufenden Blühperiode angelegt. Sie durchbrechen ab November die Bodenschicht und überwintern oberirdisch in der Moos- oder Laubschicht, während der alte Blütentrieb nach der Blüte bzw. nach der Fruchtreife abstirbt. Der Stängelaustrieb erfolgt im Frühjahr mit zunächst eingerollten Blättern, die sich dann rasch entfalten. Zur Blüte kommen die Pflanzen nur bei günstigen Lichtverhältnissen. Bei zu starker Beschattung erscheinen nur Blätter; diese Pflanzen können mehrere Jahre überdauern ohne zu blühen, erlöschen aber, wenn sich die Belichtung nicht verbessert. Blühfähig sind meistens nur ein Drittel bis zur Hälfte der Sprosse. Blühende Exemplare erreichen eine Höhe von 30 – 60 cm. Sie entwickeln 4 oder 5 kräftig geaderte stängelumfassende Laubblätter; 1 oder 2 Blätter befinden sich am Grunde, am Stängel verteilt 2 – 4 Blätter. Die größeren Stängelblätter werden 11 – 19 cm lang und 5 – 11 cm breit, das oberste Blatt wird 7 – 16 cm lang und erreicht den Blütenstand.
Der Blütenstand besteht meistens aus einer Blüte, öfters aus zwei und selten aus drei. Die Blüten sind die größten aller europäischen Orchideenarten und blühen zwei oder drei Wochen; wenn eine Bestäubung erfolgt ist, verwelken sie rasch. Die Perigonblätter sind rotbraun gefärbt. Das obere Sepal ist noch oben, die seitlichen Sepalen sind miteinander verwachsen und nach unten gerichtet. Sie sind 3,5 – 5 cm lang und bis 1,7 cm breit. Die beiden schmäleren Petalen zeigen leicht nach unten. Sie messen 4 – 6 cm in der Länge und sind häufig leicht spiralig verdreht. Die abwärts gerichtete Lippe ist pantoffelförmig aufgewölbt und 3 - 4 cm lang. Außen ist sie zitronengelb. Sie weist eine Öffnung von 18 mm Länge und 8 mm Breite auf. Innen ist die Lippe rot punktiert. Oberhalb des Einganges in die Öffnung liegen die Säule sowie zwei fertile Staubbeutel, außerdem der größere mittlere sterile Staubbeutel (Staminodium), der die schildförmige Narbe überdeckt. Bestäubt wird Cypripedium calceolus vorwiegend durch die Weibchen der Gattung Andrena. Bestäubende Insekten werden durch den Geruch und die Farbe der Blüte angelockt; die Lippe wirkt als Kesselfalle. Beim Ausstieg streifen sie zwangsweise die Anthere mit dem schmierigen Pollen und lagern diesen beim Verlassen der nächsten Blüte an der Narbe ab. Der Fruchtansatz der Art ist stark wetterabhängig und schwankt meistens zwischen (5) 20 bis 35% und ist damit ungewöhnlich niedrig; zuweilen wird auch von höheren Werten berichtet. Die Samenreife dauert mit vier Monaten recht lange.
Vegetations- und Blühzeiten
Der Spross entwickelt im April seinen Stängel; die Blütezeit liegt in Baden-Württemberg meistens bereits im Mai. Fruchtreife tritt im September bis Oktober ein.
Unterschiede
Die Art kann mit anderen Orchideen kaum verwechselt werden.
Variabilität
Die Variabilität ist vor allem auf die Blütenfarbe beschränkt. Abweichende Färbungen sind aber selten. Die Perigonblätter können grün, weiß, gelb oder rotgelb gefärbt sein. Es wurden auch Exemplare mit abweichender Färbung der Lippe gefunden.
Hybriden
Hybriden von Cypripedium calceolus kommen in Deutschland nicht vor.
Wuchsorte
Cypripedium calceolus besiedelt lichte Laub- und Nadelwälder auf basenreichen bis mäßig sauren, meist kalkhaltigen Böden.
Verbreitung
Die Art hat Vorkommen von der borealen Zone bis in einige Gebirge Südeuropas und bis nach Asien. In Deutschland liegen die Hauptvorkommen in den kalkhaltigen Mittelgebirgen Hessens, Thüringens, Baden-Württembergs sowie in Bayern bis in die Hochalpen.
Gefährdung
Cypripedium calceolus ist besonders gefährdet durch Lichtmangel infolge des Kronenschlusses in Hochwäldern. Durch die Aufgabe traditioneller Bewirtschaftung von Niederwald sind darum zahlreiche Vorkommen erloschen. Überleben können die Populationen darum nur durch Offenhaltung der Standorte im Rahmen spezieller fortwirtschaftlicher Pflege. Nach dem Anhang II der FFH-Richtlinie der Europäischen Union hat Deutschland für die Erhaltung dieser Art eine besondere Verantwortung, weil ein Großteil der europäischen Vorkommen in Deutschland liegt. Deutschland hat gegenüber der Union eine Berichtspflicht und die Verpflichtung, den Schutz der Vorkommen sicher zu stellen.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Cypripedium calceolus - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 279 – 285.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten: 20. - Stuttgart.
Heinrich, O. (2010): Zur aktuellen Situation (2009) des Frauenschuhs (Cypripedium calceolus L.) in Hessen.- Ber. Arbeitskrs. Heim. Orchid. 27 (1):107-120.
Text: Dietrich Bergfeld
Verbreitungskarte ein- / ausblenden