Orchideen in Baden-Württemberg
Neotinea ustulata (L.) R. M. Bateman, Pridgeon & M. W. Chase
Brandknabenkraut
Synonyme: Orchis ustulata
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Merkmale
Knollengeophyt mit zwei unterirdischen Knollen und zahlreichen Nebenwurzeln. Aus ihnen entwickelt sich der Jungtrieb, der im Herbst oder Frühwinter bis zur Erdoberfläche treibt. Die Art neigt zur Büschelbildung. Es bildet sich im Frühjahr der Blütentrieb mit 2 – 3 scheidigen Schuppenblätter, auf die 3 – 6 rinnige Laubblätter folgen, von denen 2 – 4 rosettig gehäuft sind. Die Wuchshöhe erreicht 18 – 30 cm. Die blaugrünen, ungefleckten Grundblätter sind eiförmig-lanzettlich, 5 – 8 (11) cm lang und 1,1 – 2,2 cm breit. Die 2 – 3 Stängelblätter sind scheidig; das oberste erreicht den Blütenstand nicht; es ist 1 – 9 cm lang. Der Blütenstand ist aufblühend dicht kugelig, an der Spitze schwärzlich, später walzenförmig und locker, 3,5 – 10 cm lang mit 10 – 70 Blüten. Die nach Honig duftenden Blüten sind sehr klein. Die Perigonblätter bilden einen Helm, der außen rot bis schwarzbraun und innen grün und rot überlaufen ist. Die seitlichen Sepalen (4 – 5 × 2,3 – 2,6 mm) sind schief eiförmig, das mittlere Sepal kleiner, die Petalen (2,5 – 3,2 × 0,8 – 1,2 mm) nach außen verbreitert. Die Lippe (5 – 6,5 × 4,5 – 5 mm) ist dreilappig mit weit vorgezogenem gespaltenem Mittellappen und abstehenden lanzettlichen, am Rand gezähnelten Seitenlappen. Der kegelförmige Sporn ist abwärts gebogen und nur 1/3 – 1/4 so lang wie der Fruchtknoten. Der Sporneigang ist eng.
Vegetations- und Blühzeiten
Die Blütezeit liegt in niedrigen Lagen zwischen Ende April und Ende Mai, in höheren Lagen zwischen Ende Mai bis Ende Juli. Der Fruchtansatz ist unterschiedlich hoch. Die Angaben schwanken zwischen 14 und 65%. Für eine allogame Nektartäuschblume ist der untere Wert ungewöhnlich niedrig. Die Fruchtreife beginnt je nach Höhenlage ab Mitte Juli.
Variabilität
Die Variabilität betrifft die Blütenfärbung; die braunrote Farbe des Perigons kann ausfallen, so dass es rot oder auch reinweiß ist. Die Lippenfärbung kann insgesamt rötlich überlaufen sein. Form und Größe der Lippe schwanken.
Hybriden
Bei gemeinsamen Vorkommen mit N. tridentata entstehen häufig Hybriden und Hybridschwärme. Es wird auch von Hybriden mit N. lactea berichtet.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Neotinea ustulata var. aestivalis ist deutlich höherwüchsig und blüht etwa vier Wochen später; nur im Gebirge gleichen sich die Blütezeiten an. Hier kommt es zu Übergangspopulationen mit der spätblühenden Varietät. Neotinea tridentata weist keine dunkel gefärbten Knospen und Blütenhelme auf; sie kommt in Süddeutschland nicht vor.
Wuchsorte
Die Art wächst vor allem auf basenreichen, auch kalkarmen Magerrasen und -wiesen mit stickstoffarmen Löß- und Lehmböden. Die Böden können schwach sauer und auch humos sein.
Verbreitung
Neotinea ustulata hat ein Verbreitungsgebiet von Dänemark über Mitteleuropa bis zu den südlichen Gebirgen von Spanien, Italien und Griechenland. In den deutschen Mittelgebirgen ist sie anzutreffen, soweit diese nicht aus sauren Gesteinen aufgebaut sind.
Gefährdung
Die Art ist gefährdet durch Eutrophierung der Standorte und Zuwachsen ungepflegter Biotope. In Südlagen kann es auf leichten Böden durch Trockenheit zu einem Rückgang der Bestände kommen.
Literaturhinweis
Der Text wurde überwiegend nach folgenden Literaturangaben erstellt:
- Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Orchis ustulata. In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands, 638 ‑ 645.- Uhlstädt-Kirchhasel.
- Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die wildwachsenden Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten.- Stuttgart.
- Bergfeld, D. (2018): Neotinea ustulata var. aestivalis im Vergleich zur Nominatsippe – eine Zusammenfassung des Kenntnisstandes.- J. Eur. Orch. 50(1): 3‑42.
Text: Dietrich Bergfeld
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