Orchideen in Baden-Württemberg
Epipogium aphyllum Sw.
Synonyme: Satyrium epipogium, Orchis aphylla, Epipogium gmelinii, Epipogium epipogium
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Merkmale
Rhizomgeophyt mit fleischiger Grundachse, die knollenartig verzweigt ist. Aus vorjährigen Gliedern mit bauchigen Bulben treiben im Sommer Blütenstängel. Blätter mit Blattgrün werden nicht entwickelt. Deswegen ist die Pflanze lebenslang und völlig auf eine Symbiose mit Pilzen angewiesen. Die Rhizomteile, die Blüten getrieben haben, sterben nach der Blütezeit ab. Es bilden sich aber neue Rhizomteile, an denen sich wiederum Bulben entwickeln. Es können auch lange Ausläufer entstehen, die zu vegetativer Vermehrung führen. Büschelartiges Wachstum zeigt an, dass sich aus demselben Rhizom bis zu 25 Blütentriebe entwickeln können. Der Austrieb erfolgt bereits mit unterirdisch entwickelten Blütentrieben. Diese sind zunächst abgewinkelt, strecken sich dann aber. Der kahle Stängel wird zwischen 5 und 30 cm hoch, trägt wenige, kurze Schuppenblätter und 1 bis 5 große hängende Blüten mit nach oben gerichteter Lippe. Die Tragblätter sind häutig, lineal-lanzettlich, bräunlich und 7 – 11 mm lang. Der Fruchtknoten ist gestielt und mit 4 – 10 mm gleichlang wie die Tragblätter. Die Perigonblätter sind gelblichgrün bis rahmfarben und halbkreisförmig nach unten hängend angeordnet. Die seitlichen Sepalen werden 14 – 17 mm lang mit einer Breite von 2 – 3,5 mm, das mittlere 12 – 16 mm mit einer Breite von 2 – 4 mm. Sie sind rinnig in Längsrichtung gebogen. Die Petalen sind weniger gebogen und werden 13 – 15 mm lang bei einer Breite von 3 – 4,5 mm. Die dreilappige Lippe ist weißlich mit verlängertem Mittellappen; die Seitenlappen sind abgerundet. Der Mittellappen ist breit mit aufwärts gerichteter Spitze und zeigt auf der Innenseite 4 -6 Längsleisten, die mit roten Papillen besetzt sind. Der Mittellappen hat eine Länge zwischen 9 und 12 mm bei einer Breite von 9 und 10 mm. Der sackartige Sporn ist aufwärts geschwungen, 6 – 9 mm lang und 3 – 5 mm dick, gelblich oder rötlich und enthält wenig Nektar. Der Fruchtknoten ist waagerecht bis abwärts gerichtet; die Pollinien sind langgestielt und mit einem Klebkörper versehen. Die Früchte werden 15 -20 mm lang und 8 – 10 mm dick. Der Fruchtansatz ist mit 5 % ausgesprochen niedrig.
Vegetations- und Blühzeiten
Der Austrieb erfolgt ab Juli und zieht sich über mehrere Wochen bis in den August hin. Die Fruchtreife setzt bereits während der Blütezeit ein und ist nach zwei Wochen abgeschlossen. Auch die fruchtende Pflanze ist nach vier Wochen total zurückgezogen. Andererseits neigt Epipogium aphyllum dazu, in witterungsmäßig ungünstigen Jahren nicht auszutreiben. Dieses Verhalten erschwert eine laufende zuverlässige Bestandserfassung.
Variabilität
Variabel ist lediglich die Punktierung der Lippe, die purpurrot bis rosa ausgebildet sein kann oder gänzlich fehlt.
Hybriden
Hybriden sind nicht bekannt.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Die Art ist nicht verwechselbar.
Wuchsorte
Die Art kommt auf frischen, mehr oder weniger nährstoff- und basenreichen, mäßig sauren bis neutralen Böden vor. Sie benötigt lockerere modrig-humose Lehme und Tone und ist hierbei auf die Symbiose mit Pilzen angewiesen. Zu finden ist sie deshalb nur in schattigen luftfeuchten Buchen-, Tannen- oder Fichtenwäldern meist oberhalb von 700 m Meereshöhe.
Verbreitung
Epipogium aphyllum kommt in Deutschland in den Mittelgebirgen sowie dem Alpenraum vor.
Gefährdung
Aufgrund ihrer besonderen Standortansprüche hat die Art in den letzten Jahrzehnten ihre meisten Fundorte verloren. Auch wenn die Forstwirtschaft nunmehr auf Kahlschläge verzichtet, ist die Art nun auch an ihrem bundesweit bekanntesten Fundort im Hüfinger Stadtwald bis auf wenige blühende Exemplare zurückgegangen. Besonders auffällig war dies in den letzten Jahren mit ausbleibenden Niederschlägen im Früh- und Hochsommer. Diskutiert wird auch ein Zusammenhang mit einer Störung der Pilzflora, die durch Nichteinhaltung des Wegegebotes durch Besucher infolge Bodenverdichtung geschädigt ist. Ausbleibende Niederschläge haben im Hüfinger Stadtwald daneben zu einer Verzögerung der Blühphase geführt und damit auch dazu, dass die Fotographen in der Austriebsphase die verbliebenen wenigen Wuchsplätze betreten, um blühende Exemplare zu finden. Diese Konzentration der Besucher verstärkt die Auswirkungen der Klimaveränderung.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Epipogium aphyllum. - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 433 – 437.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten:- Stuttgart.
Blech, H.J., Marx, P. & A. Wolf (2016): Nicht nur Orchideen – 75 Jahre Naturschutzgebiet Deggenreuschen-Rauschachen (Hüfinger Orchideenwald).- Schriften Verein f. Geschichte u. Naturgeschichte d. Baar, Bd. 59, 109 – 148.
Gebauer, G. (2006): Mundraub im Wurzelraum: Wie Orchideen ihre Pilzpartner zur Nährstoffgewinnung nutzen. Universität Bayreuth;- Vortrag: Vortrag [30.01.2016].
Text: Dietrich Bergfeld
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